[NDS] Tostedter Neonazis in der JN Nordheide

Seit ca. 2018 existiert im Landkreis Harburg in Niedersachsen, südlich von Hamburg, eine Struktur der „Jungen Nationalisten“. Über einen Teil der dort organisierten Neonazis haben wir bereits im vergangenen Jahr eine Hintergrundrecherche veröffentlicht (1). In der Zwischenzeit ist die JN-Struktur jedoch weiter gewachsen und konnte verschiedene Neonazis aus der Region, die in den vergangenen Jahren nicht gemeinsam vor Ort organisiert waren, zusammenbringen. Im Rahmen dieser regionalen Neonazi-Struktur treten nun auch wieder altbekannte Gesichter der Tostedter Neonaziszene in der Öffentlichkeit auf.

Die Tostedter Szene galt bis Mitte der 2010er Jahre als eine der gewaltbereitesten und bestens vernetzten Neonaziszenen in Deutschland. Nur kompromisslosen und unmittelbaren Antifa-Interventionen ist es zu verdanken, dass sich die Neonazis größtenteils ins Private zurückziehen mussten. (2)

In diesem Text werden wir André Bostelmann und Nico Deiseroth genauer beleuchten. Sie sind der Struktur der JN Nordheide zuzurechnen und stehen gleichzeitig exemplarisch für Neonazi-“Karrieren“ in Tostedt.

André Bostelmann:

André Bostelmann kommt aus dem Tostedter Nachbarort Wistedt und arbeitet aktuell als Industriekletterer. Bostelmann ist seit über 10 Jahren aktiver Neonazi und mittlerweile fest in der überregionalen Neonazi-Szene verankert. Durch die enge Verzahnung der Tostedter Dorfgemeinschaft mit der Neonaziszene kam er schon in frühester Jugend mit den örtlichen Neonazis in Kontakt. Seine rechten Umtriebe begannen so im Umfeld der Kameradschaften „NW Tostedt“ und „Gladiator Germania“. Erstmalig beteiligte er sich im April 2009 an einem NPD-Aufmarsch in Lüneburg (Bild 1), im August 2009 fuhr er mit der gleichen Kameradschaftsszene um Stefan Silar zum Neonaziaufmarsch nach Bad Nenndorf (Bild 2).
Nachdem es um die oben genannten Tostedter Kameradschaften ruhiger geworden war, beteiligte er sich an dem, hauptsächlich von Kevin Arbeit initiierten und vorrangig im Internet aktiven, Projekt „Tostedt gegen links“. Auch Kevin Arbeit war lange Zeit in Tostedt aktiv und wurde jüngst wegen eines Angriffs auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. (3)

Bild 1: Lüneburg 14.4.09, NPD Aufmarsch: v.l.n.r. Marcel Kersten, Fabian Rath, Stefan Silar, Daniel Bassen, Emilio Wagner, André Bostelmann

Bild 2: Bad Nenndorf 01.08.09, Trauermarsch: André Bostelmann markiert

Im Zusammenhang mit der im Jahr 2015 durch das Innenministerium verbotenen Kameradschaft „Weiße Wölfe Terrorcrew“ fiel Bostelmann ebenfalls auf. Nach einem spontan durchgeführten Fackelmarsch, orientiert an den „Unsterblichen“, im Jahre 2011 in Hamburg-Harburg gab es im März 2012 eine Hausdurchsuchung seines Elternhauses in Wistedt.
Bostelmanns weitere Laufbahn in der Neonaziszene wird durch seine Leidenschaft für Kampfsport und Rechtsrock geprägt. Bereits im Mai 2013 trat er bei einer „Fight Night“ in der Großraumdisco „MicMac“ in Moisburg (Landkreis Harburg), maßgeblich organisiert durch den Tostedter Neonazi Daniel Bassen, gegen andere Neonazis an (Bild 3). Er begann regelmäßig das Kickboxtrainig im Todtglüsinger Sportverein zu besuchen und frequentiert aktuell das Training im neugegründeten „Fight-Club Tostedt“.

Bild 3: Bostelmann bei der Fight Night im MicMac Moisburg, im Hintergrund links Tostedter Neonazis und Umfeld

Am 3. Juni 2017 veranstaltete Bostelmann u.a. mit dem Schneverdinger Neonazi Nils Engelbarts und dem (damaligen) Tostedter Kevin Arbeit ein Neonazikonzert mit dem NS-Rapper Michael Zeise alias „Mic Revolt“ (4) (Bild 4).

Bild 4: Kevin Arbeit und André Bostelmann beim MicRevolt Konzert 2017 in Tostedt

Danach verbrachte André Bostelmann zusammen mit Nico Deiseroth einige Zeit in Thailand. Er bereitete sich dort u.a. für seinen ersten Kampf beim bis dato größtem Neonazi-Kampfsportevent in Deutschland, dem „Kampf der Nibelungen“ (KdN), am 14. Oktober 2017 in Kirchhundem (NRW) vor (Bild 5). In den folgenden Jahren, nahm er sowohl als Zuschauer (2018) und auch als Kämpfer (2019), an der Neonazi-Kampfsportveranstaltung „Tiwaz“ teil (Bild 6).

Bild 5: Video-Screenshot vom Kampf der Nibelungen 2017, links Bostelmann

Bild 6: Tiwaz 2019, Andé Bostelmann und Dennis Dollberg (Quelle: Antifa Bremen)

Ebenfalls erwähnenswert ist sein Besuch bei einem NPD-Treffen im niedersächsischen Karlshöfen im Jahr 2018, bei dem der heutige Stützpunktleiter der JN Nordheide, Micha Müller aus Brackel, einen JN-Stand betreute. Bostelmann erschien hingegen erst in den Abendstunden für den anschließenden Liederabend mit der Rechtsrock-Ikone „Lunikoff“ (Bild 7). In den vorangegangenen Jahren hatte die Tostedter-Neonaziszene pedantisch darauf geachtet, nicht an öffentlichen Konzerten oder Veranstaltungen teilzunehmen.

Bild 7: Karlshöfen 17.02.18, NPD Treffen (Quelle: Recherche Nord)

Einen Großteil des Jahres 2020 verbrachte Bostelmann in Thailand, wo er aufgrund der Corona-Pandemie festsaß. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland beteiligte er sich an verschiedenen Aktionen der JN Nordheide, beispielsweise an internen Wanderungen, Heldengedenken und zuletzt der Wintersonnenwendfeier im Dezember 2021. Zuletzt trat André Bostelmann bei einem „Corona Spaziergang“ im Kontext der „Freien Niedersachsen“ am 27. Dezember 2021 in Tostedt auf.

Nico Deiseroth

Nico Deiseroth stammt aus Kakenstorf, ebenfalls ein Nachbarort von Tostedt. Er betätigt sich dort bei der Freiwilligen Feuerwehr und kam u.a. so mit älteren Neonazis der Tostedter Kameradschaft in Kontakt. Die Integration der Neonazis in der Dorfgemeinschaft sicherte der Neonaziszene lange Zeit einen stetigen Zulauf an Nachwuchs. Deiseroth machte eine Ausbildung im familieneigenen Betrieb „Kältetechnik Gerke“ und wird dort, neben seiner Schwester, als zukünftiger Geschäftsführer geführt (Bild 8).

Bild 8: Nico Deiseroth als zukünftiger Geschäftsführer bei Kältetechnik Gerke

Anders als bei André Bostelmann kam Deiseroth zu einem Zeitpunkt in die Naziszene in Tostedt, als diese sich weitestgehend aus dem öffentlichen Raum und von öffentlichen Veranstaltungen zurückgezogen hatte, was ihn jedoch nicht daran hinderte aktiv zu werden. Er beteiligt sich regelmäßig an internen und nichtöffentlichen Aktionen oder Veranstaltungen. Neben ihrer Freundschaft, verbindet Nico Deiseroth und André Bostelmann eine Leidenschaft für Kampfsport und Wanderungen. So besuchte Nico Deiseroth zusammen mit seinem Kameraden die „KdN“ Events und reiste mit ihm 2019 nach Ungarn, um dort am „Tag der Ehre“ und dem „Ausbruch 60“ in Budapest, in Erinnerung an einen gescheiterten Ausbruch deutscher und ungarischer Truppen aus einem Kessel der Roten Armee 1944, teilzunehmen. Ebenfalls vor Ort waren die Brüder Micha und Hannes Müller (Brackel) und Lukas Weselmann (Wulfsen). Auch regional nimmt Deiseroth an internen Wanderungen der JN-Struktur, beispielsweise auf den Brunsberg bei Buchholz i.d.N. (Bild 9) oder an überregionalen Neonazi-Wanderungen, etwa entlang der deutschen Ostseeküste, teil. Diese Leidenschaft für Wanderungen ist eng mit seiner völkisch-nationalistischen Ideologie verknüpft. Wie Bostelmann, beteiligte sich Deiseroth im Dezember 2021 an einer völkischen Sonnenwendfeier, organisiert von der niedersächsischen NPD, und trat gemeinsam mit dem Kern der JN-Struktur aus Brackel bei mehreren „Corona-Spaziergängen“ in Buchholz i.d.N. auf.

Bild 9: 28.02.21 Brunsberg Wanderung (bei Buchholz i.d.N.) der JN Nordheide, links Nico Deiseroth, rechts André Bostelmann

Bild 10: André Bostelmann

Bild 11: André Bostelmann mit Hitlergruß, daneben Nico Deiseroth und Kevin Tolksdorf

Bild 12: v.l.n.r. Phillip Tolksdorf, Albert Steffen, André Bostelmann, Christoph Rehm

Bild 13: JN Nordheide mit Hitlermasken in Solidarität mit Paul Rzehacaczek, André Bostelmann markiert


Fußnoten:
1 https://heidesumpf.noblogs.org/post/2021/01/25/jn-struktur-in-nord-ost-niedersachsen/
2 http://landfriedensbruch.blogsport.de/
3 https://antifa216.noblogs.org/post/2021/09/11/bewahrung-fur-neonazikader-kevin-arbeit-mal-wieder-davongekommen/
4 weitere Infos: https://k56aufdecken.noblogs.org/michael-zeise/