Während sich Stephan Bothe (stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Niedersachsen und Kreisvorsitzender der AfD Lüneburg) und Armin Paulus Hampel (Bundestagsabgeordneter der AfD) immer mehr in innerparteiliche Streitigkeiten verstricken und regional nur noch wenig präsent sind, gilt es ein Augemerk auf diejenigen Personen zu legen, die den beiden regional den Rücken stärken. Eine dieser Personen ist Dirk Neumann, Kriminaloberkommissar bei der Polizeidirektion Lüneburg und stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD Lüneburg.
Um die Rolle Dirk Neumanns in dieser nachvollziehen zu können ist es notwendig sich die Struktur der Lüneburger AfD detailierter anzuschauen.
Geführt wird der AfD Kreisverband Lüneburg von Stephan Bothe. Bothe bekennt sich seid Jahren öffentlich zum angeblich aufgelösten Flügel um Björn Höcke. Als wäre die AfD nicht ohnehin schon eine extrem rechte Partei (1), gilt der Flügel als völkisch-national und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Februar 2021 sorgte in der niedersächsischen AfD ein Treffen für Aufregung, in welchem die Strukturen des Flügels wiederbelebt werden sollten. Federführend dabei: Stephan Bothe und Armin Paulus Hampel (2). Der Bundesvorstand der AfD leitete daraufhin unter anderem für Stephan Bothe ein Ausschlussverfahren ein, sodass er übergangsweise seine Parteiämter niederlegen musste (3).
Der aktive Teil des AfD Kreisverbandes Lüneburg ist komplett auf Stephan Bothe und somit inhaltlich auf den Flügel zugeschnitten. Im Laufe der letzten Jahre wurden Personen, die andere Positionen vertraten, an den Rand gedrängt oder haben sich selber aus der aktiven Parteiarbeit zurückgezogen. So trat der AfDler Svend Schmidt, ebenfalls Polizeibeamter in der Polizeidirektion Lüneburg, aus der Partei aus und saß anschließend als parteiloser Abgeordneter im Samtgemeinderat Gellersen. Übrig geblieben sind Personen wie das ehemalige Mitglied der Republikaner Sebastian Deffner und Leah Noack, die sich öffentlich als Fan von Thommy Robinson bekennt (4).
Auch andere Mitglieder der regionalen AfD stellen sich klar hinter Stephan Bothe und seine Linie. So beantragte René Stumpf, aktiv bei der Lüneburger Feuerwehr, beim Parteitag der niedersächsischen AfD am 15. Mai 2021 in Braunschweig die Neuwahl der Landesliste zur Bundestagswahl. Beim vorausgegangenen Parteitag hatten die MdBs und Flügelsympathisanten Jens Kestner und Armin Paul Hampel überraschenderweise keinen Listenplatz erhalten, was mittels des Antrags korrigiert werden sollte (5). Hampel, der nach internen Querelen 2018 den Landesvorsitz abgeben musste, kandidiert nun für den Bundestagswahlkreis Lüneburg/Lüchow Dannenberg als Direktkandidat. Schon damals wurde er massiv von den Anhänger*innen des völkischen Flügels unterstützt. So auch von Stephan Bothe.
Auch wenn die Lüneburger Kandidat*innen der AfD sonst gerne mal mit anderen AfD-Strukturen aneinandergeraten, scheinen sie intern deutlich weniger Differenzen zu haben. Die Aufstellung der Listen für die Kanditat*innen zur Kommunalwahl am 12. September erfolgte laut Eigenaussage der AfD Lüneburg einstimmig – eine Besonderheit in der ansonsten so zerstrittenen AfD. Dies lässt auf einen ziemlich homogenen Kreisverband schließen, denn gerade Stephan Bothe ist parteiintern nicht dafür bekannt, unterschiedlichen Strömungen und Meinungen zu tolerieren.
Hinter all dem steht auch Dirk Neumann. Neben seinem Posten als stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender sitzt er seit 2016 für die AfD im Lüneburger Stadtrat. Mitglied in der AfD ist Dirk Neumann seit mindestens 2015 (6). Er hat sich, im Gegensatz zu anderen Polizeibeamten, nicht von der zunehmenden Radikalisierung der Partei und der Beobachtung durch den Verfassungsschutz abschrecken lassen, sondern ist der AfD treu geblieben.
Auch wenn Dirk Neumann nicht öffentlich bei überregionalen Veranstaltungen der AfD und des völkischen Flügels auftritt, gibt es von seiner Seite aus keine Distanzierungen gegenüber diesem. Im Gegenteil: In seinem Amt als stellvertretender Kreisvorsitzender stärkt er Bothe aktiv Rücken.
Am aktuellen Wahlkampf in Lüneburg zur Kommunahlwahl am 12.9.2021 und zur Bundestagswahl am 29.9.2021 beteiligt er sich ausschließlich mit Flügelsympathisant*innen. Jüngste Beispiele sind Fotos, die ihn gemeinsam mit Bothe und anderen Mitglieder freudig beim Plakate aufhängen und am Wahlstand zeigen.
Es ist davon auszugehen, dass Neumann hinter den Ansichten von Hampel, Bothe und co steht, da er diese mitgewählt hat und aktiv stützt. Von einer starken Nähe zum durch den Verfassungsschutz beobachteten Flügel ist deswegen auszugehen.
Dass Dirk Neumann keine Trennung zwischen seinen politischen Ansichten und seinem Beruf zieht, zeigte sich bei der Hausbesetzung eines ehemaligen Uni-Gebäudes am Rotenbleicher Weg in in Lüneburg am 1.7.2020. Im Rahmen eines umstrittenen Polizeieinsatzes beteiligte er sich an der Gewahrsamnahme seines Ratskollegen Christoph Podstawa von der Partei DIE LINKE. Im Nachhinein stellte sich dessen Nacht im Gefängnis als rechtswidrig heraus (7).
Mittlerweile dürften Verstrickungen von extremen Rechten in Sicherheitsbehörden keine Überraschung mehr sein. Der NSU 2.0, Nordkreuz, rechte Chat-Gruppen bei diversen Polizeidienststellen, der KSK-Affäre, Verstrickungen des Verfassungsschutzes in den NSU und rechte SEK-Beamt*innen, die in Hanau im Einsatz waren, zeigen, dass bei rechten Sicherheitsbeamt*innen keine Trennung zwischen Einstellungen und Berufsausübung möglich ist. Mehr noch: Dieses menschenverachtende Gedankengut wird im Beruf ausgelebt und durch die Strukturen in Sicherheitsbehörden gefördert und gedeckt. Werden extreme Rechte dazu befugt, das soweiso schon problematische staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen und Macht gegenüber marginalisierten Gruppen und politisch Andersdenkenden durchzusetzen, so führt das zu noch massiverer Gewalt und Repression. Es ist zu befürchten, dass auch Dirk Neumann seine Positionen, wie er sie beispielsweise in seiner Rede zum Thema Gender im Lüneburger Stadtrat formuliert, in seinen beruflichen Alltag einfließen lässt (8).
Von der Polizei Lüneburg gibt es zu all dem keine Stellungnahme. Obwohl es immer wieder Kritik an Dirk Neumann gab, ist er weiterhin im Streifendienst tätig. Die Polizei Lüneburg stützt damit Teile der Lüneburger AfD und des extrem rechten völkischen Flügels in Niedersachsen. Wenn öffentlich bekannte Rechte ungehindert und unwidersprochen Posten in der Polizei ausüben können, zeigt die Polizei damit, dass Rassismus und rechtes Gedankengut bei ihr einen Platz haben und sie kein „Freund und Helfer“ für Migrant*innen, Linke und andere von der AfD angefeindete Gruppen sind.
Quellen und weiterführende Links:
(1) antifa-lg-ue.org/2019/10/21/die-afd-ist-eine-rechtsextreme-partei/
(2) https://www.rundblick-niedersachsen.de/geheimtreffen-der-fluegel-plant-die-unterwanderung-der-afd/
(3) https://www.rundblick-niedersachsen.de/afd-werden-bothe-wappler-und-althaus-ausgeschlossen/
(4) Thommy Robinson ist Gründer und ehemaliger Leiter der rechtsextremen English Defence League und seit 2005 insgesamt zehn mal zu Haftstrafen verurteilt worden
(5) https://afd-niedersachsen.de/wp-content/uploads/2021/05/Antragsbuch-Landesparteitag-AfD-Niedersachsen-15.05.2021-1.pdf
(6) Dokumentiert ist der Besuch des AfD Bundesparteitages 2015
(7) https://www.landeszeitung.de/lueneburg/229048-nacht-im-knast-war-rechtswidrig/
(8) Rede https://blog.eichhoernchen.fr/post/anti-genderismus-von-rechts-im-rat-der-hansestadt-luneburg/