Der D Day 2.0 in Lüneburg und wer dahinter steckt

Ende vergangenen Jahres riefen unter dem Motto D Day 2.0 diverse sogenannte Querdenker*innen um den suspendierten Hannoveraner Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch (1) zwischen dem 20. und 31. Dezember 2020 zu zentral organisierten Blockaden von Infrastruktur mit Großfahrzeugen auf. Ziel war es, sich mit diesem sogenannten „Blockdown“ gegen einen europäischen Lockdown zu wehren.

Michael Fritsch hat mehrmals die gegenwärtige Politik mit dem Nationalsozialismus und der Shoah verglichen und einen kommenden Umsturz herbei phantasiert (2). Aufruf und Organisation zum deutschlandweiten D Day 2.0 fanden in verschiedenen bundesweiten und lokalen, öffentlich zugänglichen Chatgruppen des Messengers Telegram statt. Hier finden sich Menschen aus der radikalen Querdenken-Szene, unter ihnen auch Reichsbürger*innen, Anhänger*innen von Verschwörungserzählungen sowie Neonazis.

Ersteller, Admin und treibende Kraft hinter der lokalen D Day 2.0 Gruppe Lüneburg war der selbständige Lüneburger IT-Entwickler Thorben Kaufmann. Schon 2019 war er in der rechten Telegramgruppe Patrioten in Hamburg sehr aktiv und plauderte dort offen über seine Gesinnung und sein Privatleben. Er spielt Schlagzeug, ist Vater eines Sohnes, befürwortet Bürgerwehren, und spricht sich wiederholt dafür aus, „aktiv“ zu werden und nicht nur Informationen zu tauschen. (siehe Telegram Screenshots am Ende des Artikels)

Unter dem Benutzernamen TangoKiloOne ist Thorben Kaufmann nicht nur bei Telegram, sondern auch mit einem öffentlichen Profil im Social-Media-Netzwerk Instagram zu finden. Hier teilt er Fotos von Outdoormärschen und posiert mit einer Pistole. Einer seiner Follower, Steve Deerman (alias SierraHotelOne), dem jedes von Kaufmanns Bildern gefällt, hat auf seinem eigenen öffentlichen Account ein Bild gepostet, das ihn und Kaufmann mit einer Gruppe Männern bei einem Schießtraining im Sommer 2020 in Polen zeigt.

Neben seinem Faible fürs Schießen und für Outdoormärsche, zeigt Thorben Kaufmann auf Instagram auch ganz offen seine politische Einstellung, indem er sich zum militanten Arm der QAnon Bewegung, der QArmy, bekennt (s.u.). Der Amadeu Antonio Stiftung zufolge handelt es sich bei QAnon um eine „der derzeit dynamischsten und gefährlichsten antisemitischen und rechtsextremen Bewegungen“ (3). Durch ihre Verschwörungserzählungen vom Deep State und von der Misshandlung von Kindern durch Eliten, „legitimiert [sie] damit Angriffe bis hin zu Terroranschlägen“ (4).

Auch außerhalb der Onlinewelt zeigt Thorben Kaufmann Sympathien für einen militanten Kampf gegen empfundenes Unrecht. So trägt er zum Schießtraining auf seiner Schutzweste ein Aufnäher, das zur Hälfte eine Deutschlandfahne und zur anderen Hälfte das sogenannte „Punisher-Logo“ zeigt.

Dieses Logo ist sowohl im QAnon-Sprektrum als auch bei US-amerikanischen Neonazis und Waffenfetischist*innen sehr verbreitet und war auch mehrfach bei der Stürmung des Capitols am 06.01.2021 in Washington zu sehen. Der Punisher ist ein Held aus den Marvel Comics und obwohl dieser Selbstjustiz an Verbrecher*innen übt, ist das Logo ursprünglich eher popkulturell als politisch. Populär in der US-amerikanischen Rechten machte es der Scharfschütze Chris Kyle, dem 160 bestätigte Tötungen den zweifelhaften Ruhm als „erfolgreichster“ Sniper in der Geschichte des US-Militärs einbrachten. In seiner Autobiografie fällt Cris Kyle vornehmlich durch seine Menschenverachtung, seinen Rassismus und seinen Sadismus auf, und findet dadurch in der US-amerikanischen Rechten viele Bewundrer*innen. Auch Thorben Kaufmann scheint fasziniert von diesem Geist, selber und aus dem Hinterhalt über Gut und Böse entscheiden und richten zu dürfen.

Der Waffenfetischismus von Thorben Kaufmann zeigt sich auch darin, dass er ein Bild mit dem Hashtag Black Rifles Matter teilte (s.u.). Unter diesem Hashtag versuchen vor allem weiße US-Amerikaner*innen sich als eine diskriminierte Minderheit der Waffenbesitzer*innen zu porträtieren und diese empfundene Diskriminierung auf eine ähnliche Ebene, wie die Black-Lives-Matter-Bewegung zu heben.
In Verschwörungserzählungen wie bspw. QAnon wird die Autorität des Staates und irgendwelcher vermeintlicher Eliten gezielt delegitimiert und der Einzelne damit in eine Position erhoben, selbst über Recht und Unrecht zu urteilen und dieses durchzusetzten. In Kombination mit seinem Waffenfetischismus ergibt sich bei Kaufmann eine gefährliche Mischung bei der es auch nicht verwunderlich ist, dass er sich der Reichsbürger*innenbewegung nahe fühlt und in der Vergangenheit für den Verein Freiheit für Deutschland e.V. den Stammtisch für die Region Lüneburg organisierte. Auch Reichsbürger*innen bestreiten die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und leiten daraus das Recht ab selber Staatsgewalt ausüben zu dürfen.

Thorben Kaufmann tritt nicht offen als Neonazi oder Anhänger einer rechten Partei auf. Antisemitische rechte Verschwörungsideologien und die Ideen der Reichsbürger*innen sowie der Querdenken-Bewegung prägen sein Weltbild offensichtlich ebenso wie die Faszination für die US-amerikanische Altright-Bewegung. Gerne möchte er in Aktion treten und sucht offensiv in rechten Telegram-Gruppen Mitstreiter*innen, z.B. für den D-Day 2.0. Nebenbei trainiert er Schießen und Überleben im Ernstfall. Wahrscheinlich würde er sich selber nicht offen als rechts betiteln und ist sich seiner menschenverachtenden Ideologie vermutlich nicht einmal bewusst, sondern wünscht sich, in der Tradition des „American Sniper“ Cris Kyle, eine selbst empfundene Gerechtigkeit mit allen Mitteln durchzusetzen. Dabei ist er insbesondere über Telegram mit Gleichgesinnten vernetzt, erhält Informationen, Unterstützung und Bestätigung. Selbst wenn es ihm nicht gelingt, dort Mitstreiter*innen zu mobilisieren, ist es nicht ausgeschlossen, dass er – in dem Wissen, die Community hinter sich zu haben – auch alleine aktiv wird.

(1) https://www.youtube.com/watch?v=RkO_QlWM4HE&feature=youtu.be

(2) https://jungle.world/artikel/2020/34/ein-polizist-wirbt-fuer-den-umsturz

(3) https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/11/01-dehate-report-QAnon.pdf

(4) https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/11/01-dehate-report-QAnon.pdf

JN Struktur in Nord Ost Niedersachsen

Wie aus Dorfnazis organisierte Neonazis werden

Brackel, eine Gemeinde mit knapp 2000 Einwohner*innen im Landkreis Harburg im Dreieck zwischen Winsen, Buchholz und Lüneburg. An der Ausfallstraße Richtung Thieshope gelegen befindet sich die Zimmerei der Familie Müller, daneben ihr Wohnhaus. Hier wachsen die Kinder der Familie, Hannes und Micha, auf.

Anfang der 2010er Jahre – Hannes ist zu diesem Zeitpunkt Anfang 20, Micha etwas jünger – bauen die Brüder einen kleinen Schuppen im Garten des elterlichen Grundstücks zum Treffpunkt ihres Freundeskreises um. Zusammen mit anderen Jugendlichen aus dem Ort trinken sie hier Alkohol und hören Rechtsrock. Eigens formulierte Hausregeln im „Brackeler Schuppen“ stellen klar, wann geraucht und welche Musik abgespielt werden darf. Strafe bei Missachtung der Regeln ist das Trinken von Schnaps. Suff- und Dorfnazis wie es sie in vielen Dörfern in Niedersachsen gibt.

Die Regeln des „Backeler Schuppens“

Doch die Entwicklung der Brüder ist an diesem Punkt nicht stehengeblieben. Etwa zehn Jahre später – den „Backeler Schuppen“ gibt es längst nicht mehr – sind die Beiden tief in der rechten Szene verankert.

Die Anfänge

Schon bald knüpft Micha Müller, der auf seinem Facebookprofil bis heute Braunschweig als Wohnort angibt, jedoch wieder in Brackel wohnt, Kontakt zu den dortigen Neonazistrukturen um Sebastian Weigler (NPD). Am 13. Februar 2018 nimmt er zusammen mit etwa zwei dutzend Neonazis an einer von Die Rechte Süd-Ost-Niedersachsen organisierten Trauermarsch in Vienenburg im Landkreis Goslar teil. Unter den Teilnehmer*innen befinden sich auch langjährig aktive Neonazis wie der wegen Volksverhetzung verurteilte Dieter Riefling und Vertreter*innen der NPD und ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Schon eine Woche später, am 17. Februar 2018, nehmen Micha und Hannes Müller an einer NPD-Veranstaltung im niedersächsischen Karlshöfen teil. Neben inhaltlichen Vorträgen steht auch ein Konzert von Lunikoff alias Michael Regener, dem ehemaligen Sänger der verbotenen Band Landser, auf der Tagesordnung. Unter den circa 80 Teilnehmer*innen sind unter anderem Manfred Börm (langjähriger Funktionär der NPD), Lennart Schwarzbach (Vorsitzender NPD Hamburg), Thorsten Heise (Militanter Multifunktionär der neonazistischen Szene mit Kontakten zum NSU) und Henrik Ostendorf (einflussreicher Bremer Neonazi). Ab diesem Zeitpunkt beteiligen sich die Müllers an nahezu allen JN– oder NPD-Veranstaltungen in Niedersachsen. Und auch die Bekanntschaft zu Manfred Börm wird später noch eine Rolle spielen.

Micha Müller betreut den JN-Infostand am 17.02.2018 bei der NPD-Veranstaltung mit anschließendem Konzert in Karlshöfen

Fortan zu viert unterwegs

Im Spätsommer 2018 stoßen Lukas Weselmann und Hendrik Höft zu den Brüdern Müller. Beide scheinen sich schon von Beginn an politisch an den Brüdern, insobesondere an Micha Müller, zu orientieren. Fortan ist die Gruppe zu viert unterwegs und reist zusammen zu diversen Demonstrationen.

Die „JN-Brackel“ auf der Demonstration gegen „linken Journalismus“ am 23.11.2019 in Hannover. Lukas Weselmann mit blauer Jacke in der Mitte, neben ihm Hannes Müller und Hendrik Höft

Beim „Heß-Gedenkmarsch“ in Berlin am 18. August 2018 und auch bei einer Demonstration zum 90. Geburtstag der inhaftierten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in Bielefeld am 10. November des selben Jahres sind sie dabei. Auch auf einer Demonstration der JN-Niedersachsen am 23. November 2019 in Hannover gegen Journalist*innen, die in den Augen der Neonazis „linken Journalismus“ betrieben, sind die Vier anwesend.

Lukas Weselmann, Anfang 20, ist in Wulfsen, aufgewachsen und in der Dorfstruktur bei der Freiwilligen Feuerwehr Wulfsen integriert. Seine Freundin Clara Rychlik aus Anklam ist ebenfalls bestens in der extrem rechten Szene vernetzt und teilt entsprechende Beiträge über ihre Social Media-Kanäle.

Hendrik Höft dagegen kommt aus der Nähe von Ahlerstedt, einer sehr ländlichen Gegend im Landkreis Stade. Vor seiner Organisierung in der aktiven Neonaziszene hat er auf Dorfpartys und Geburtstagen unter dem Namen „DJ Hendrik“ aufgelegt.

 

Die Müller Brüder und ihre Freunde im Sptember 2015. Micha und Hannes Müller in der Mitte

Im Februar 2019 reist Lukas Weselmann mit Micha Müller als Teil einer deutschen Delegation nach Ungarn, um am sogenannten „Tag der Ehre“ und am „Ausbruch 60“ teilzunehmen. Über 1000 Nazis aus ganz Europa huldigen hier der letzten großen Schlacht der ungarischen Pfeilkreuzler, Waffen-SS und Wehrmachtssoldaten gegen die Rote Armee im Jahre 1944.

Dabei sind auch Vertreter*innen von Die Rechte aus Dortmund, unter anderem Matthias Deyda, einer der führenden Köpfe der Neonazi-Partei und zuständig für die internationale Vernetzung. Während Micha Müller an der 60 Kilometer langen Nachtwanderung „Ausbruch 60“ teilnimmt, posiert Lukas Weselmann zusammen mit dem Tostedter Kampfsportler Andre Bostelmann auf einem Foto der Légió Hungária, die inzwischen als eine der wichtigsten Neonaziorganisationen Ungarns gilt und eng mit anderen europäischen Neonazigruppen zusammenarbeitet.

Andre Bostelmann (zweiter von links, kurze Hose) und Lukas Weselmann (vierter von links, graue Tarnfleckjacke) in Ungarn mit der Légió Hungária

„JN Brackel“

Dass die Gruppe mittlerweile überregional vernetzt ist und auftritt, treibt vor allem Micha Müller voran. Schon bald beteiligen sich die vier nicht mehr nur an Demonstrationen, sondern übernehmen auch Aufgaben. So treten sie am 15. Februar 2020 während des alljährlichen neonazistischen Trauermarschs in Dresden als Ordner auf. Bei diesem Marsch werden die zivilen Opfer alliierter Flugangriffe auf Dresden 1945 instrumentalisiert, um die deutsche Täterschaft zu leugnen und einen Opfermythos zu schaffen.

Aufgrund ihrer Aktivitäten kann die Gruppe mittlerweile als Untergruppe der JN Niedersachsen angesehen werden. Im Rahmen der NPD-Kampagne „Schutzzone“ gründen sie ihren eigenen Ableger „Schutzzone Nordheide“ und ‚patrouillieren‘ durch Winsen, Buchholz i.d. Nordheide, Tostedt, Hanstedt und Lüneburg. Dabei verkleben und verteilen sie Propagandamaterial der NPD. Zahlreiche öffentlich aufgehängte Transparente und Plakate in der Region werden ihnen zusätzlich zugeschrieben.

Eschede

Unweit der Gemeinde Eschede zwischen Hannover und Uelzen liegt der „Hof Nahtz, benannt nach den Bewohner*innen und früheren Besitzer*innen Joachim und Renate Nahtz. Seit den 90er Jahren finden auf dem heruntergekommenen Resthof Veranstaltungen der extremen Rechten statt, unter anderem Wehrsportlager der Nationalen Liste aus Hamburg (1992), diverse Sommer- und Wintersonnenwendfeiern sowie ein Pfingstlager der mittlerweile verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend – HDJ (2007). Letzteres erlangte vor Kurzem durch die Teilnahme des AfD-Funktionärs Andreas Kalbitz Bekanntheit.

Völkisches Treffen anlässlich der „Sonnenwendfeier“ in Eschede am 21.12.2019, ganz rechts im Bild Joachim Nahtz, daneben Manfred Dammann

2019 verkauft Nahtz sein Grundstück an die NPD Niedersachsen, die nun versucht, den Hof zu einem Event- und Schulungszentrum umzubauen. Seitdem wird renoviert, ein Zaun soll mittlerweile vor neugierigen Blicken schützen. Die Bauarbeiten auf dem Gelände leitet der Bauunternehmer und ehemalige Leiter des „NPD-Ordnerdienstes“ Manfred Börm, den die Müller-Brüder bereits von der NPD-Veranstaltung in Karlshöfen kennen. 

Börm ist langjähriger Akteur der Szene: 1979 wird er wegen eines Überfalls auf ein Nato-Biwak, bei dem auch Waffen erbeutet werden, im „Bückeburger-Prozess“ zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Haftentlassung wendet sich Börm, der sich selbst auch gerne mal als „Zuständiger“ (vgl.1) bezeichnet, der Schulung von Nachswuchskräften zu. Zunächst in der Wiking-Jugend, dann in der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) durchlaufen etliche spätere Neonazi-Funktionär*innen seine Ausbildungen und Wehrsportübungen, viele von ihnen betätigen sich danach als Teil des „NPD-Ordnerdienstes“. Sowohl die Wiking-Jugend als auch die HDJ sind mittlerweile wegen ihres Wesensverwandschaft zum Nationalsozialismus verboten (vgl.2)

Micha Müller als Fotograf und Manfred Börm in Eschede am 13.06.2020

Unter anderem von Börm ausgebildet wurden Stephan Niese und Sven Brenn, die beide in unmittelbarer Nähe zu Brackel leben. Niese kommt aus Lübberstedt (in der Gemeinde Gödenstorf), Brenn hingegen aus Salzhausen. Beide Neonazis wurden 1999 als Vorsitzende in den neuen Vorstande des Kreisverband Harburg-Land der NPD gewählt. Auch der vorherige, 2016 verstorbene, Kreisverbandsvorsitzende Gerhard Sellin aus Luhdorf war jahrzehntelang für die NPD vor Ort aktiv. Und auch er weist Verbindungen zu Manfred Börm auf: 1997 waren er und Börm Teil des Unterbezirksvorstandes der NPD, bestehend aus den Kreisverbänden Soltau-Fallingbostel, Lüneburg, Harburg-Land und Lüchow-Dannenberg).

Auch die Gruppe aus Brackel beteiligt sich nun rege an den Aktivitäten der NPD in Eschede und dem Ausbau des abgelegenen „Hof Nahtz“. Die handwerklichen Fähigkeiten von Hannes Müller, der als Dachdeckermeister in der Zimmerei seines Vaters arbeitet, dürften bei der Renovierung des Hofes gefragt sein. Zusammen nimmt die Gruppe außerdem an internen Schulungen der JN Niedersachsen und den Demonstrationen der NPD durchs Dorf teil. 

Micha Müller verteilt zudem am 22. August 2020 zusammen mit dem Neonazikader Sven Wellhausen und weiteren Personen Flyer im Ortskern von Eschede. Ihm kommt zusätzlich noch eine weitere Rolle zu. Neben Manfred Dammann, dem Vorsitzenden der NPD Niedersachsen und Gründer von Nordland TV, tritt er als Journalist auf und fotografiert den antifaschistischen Protest gegen den Hof und die Aktivitäten der NPD.

Hannes Müller beim Arbeitseinsatz auf dem Hof Nahtz in Eschede am 13.06.2020, Hendrik Höft am linken Bildrand

Hendrik Höft (Mitte, vorne) und andere beim Arbeitseinsatz auf dem Hof Nahtz in Eschede am 13.06.2020

Micha Müller verteilt mit Lescow Giese Flyer der NPD in Eschede am 22.08.2020

Was bleibt?

Der Weg der Brackeler Gruppe ist ein Klassischer: Von einem latent rechten Freundeskreis im elterlichen Schuppen tief in die rechte Szene hinein. Von jugendlichen Dorfnazis hin zu öffentlich auftretenden, gut vernetzten und ideologisch gefestigten JN-Aktivisten. Die „JN Brackel“ kann nach den Strukturen in Braunschweig als die aktivste JN-Struktur in Niedersachsen bezeichnet werden. 

Es ist nahezu unmöglich, dass ihre Radikalisierung unbemerkt stattgefunden haben soll. Die aktuellen Aktivitäten in Brackel und Eschede sind mit einer langen Geschichte der NPD und ihrer Protagonist*innen in den entsprechenden Regionen zu erklären.

Die Mitglieder der „JN Brackel“ sind aufgewachsen in einem Landkreis, in dem seit Jahrzehnten Neonazis agieren. Langjährige Aktivisten der NPD wohnen nur ein Dorf weiter.

Zwar befindet sich die NPD in einem desolaten Zustand, jedoch haben sie und insbesondere ihr langjähriger Aktivist Manfred Börm sich mit dem Zentrum in Eschede einen Ort für die ideologische Schulung von Nachwuchs und der Vernetzung untereinander geschaffen, der das Potential zur weiteren Radikalisierung, Organisierung und dem Ausbau der Strukturen hat. Die Mitglieder der „JN Brackel“ sind so gesehen die erste Generation, die diese Schulung in fortgeschrittenem Stadium durchläuft.


Bei weiteren Informationen zu der Gruppe oder den Einzelpersonen, meldet euch gerne bei uns!

1: Vgl. die Rede von Börm bei einer Kundgebung gegen den Bau einer Moschee in Lüchow am 24.02.2018: https://www.youtube.com/watch?v=yBmzjXWgDEY“ (abgerufen am 28.12.2020)
2: Weitere Informationen zu Manfred Börm sind hier zu finden: https://www.belltower.news/boerm-manfred-28946/


Am 20.02.2021 erschien auf Indymedia ein Artikel von Antifaschist*innen, die die vier Neonazis in ihren Wohnorten geoutet haben. Der Artikel ist zu finden unter https://de.indymedia.org/node/134474 , die Outingflyer haben wir als Service noch mal für euch hier hochgeladen.

Reik Börm als Jugendtrainer

Wir veröffentlichen hier die gemeinsame Pressemitteilung der Salt City Antifa und der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen zu Tätigkeiten von Reik Börm und seinen Geschwistern als Kinder- und Jugendtrainer*innen bei der JSG Roddau. Die Pressemitteilung wurde bereits Ende 2019 über die Kanäle der Gruppen veröffentlicht, soll jedoch der Vollständigkeit halber auch hier erscheinen. Der Verein hat sich im Nachgang dazu entschieden, dass die Börms als Trainer*innen nicht tragbar sind, jedoch dürfen sie so lange im Verein spielen, bis sie ggf. wieder bei rechten Demos / Events in Erscheinung treten.


Neonazis als Jugendtrainer bei der JSG Roddau

Der organisierte Neonazi Reik Börm trainiert zusammen mit seinem Bruder Torge Börm die U9 (Jahrgang 2011) der JSG Roddau. Außerdem ist er Spieler bei der 1.Herren des MTV Handorf und als Beisitzer im Vorstand ebenda zuständig für die Mitgliederverwaltung und hat somit Zugriff auf sensible Mitgliederdaten. Daneben ist die Schwester der beiden für den „Fußballkindergarten“ (Jahrgang 2012 – 2013) der JSG Roddau mitverantwortlich. Gardi Börm spielt darüber hinaus ebenfalls beim MTV Handorf in der 1.Frauen.

Die JSG Roddau ist ein Zusammenschluss der Jugendsparten des MTV Handorf, des TSV Radbruch und des MTV Rottorf.

Reik Börm ist, wie sein älterer Bruder Alf Börm, heute in der NPD sowie deren Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) organisiert. So trat er am 1. Mai 2018 auf einer Demonstration der NPD in Erfurt als Ordner und mit T-Shirt der JN in Erscheinung. Auch am 24. November 2018 war er Ordner bei einer NPD Demonstration in Salzgitter, bei der Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“, „Alles für Volk, Rasse und Nation!“ und „Linkes Gezeter: 9 Millimeter!“ gerufen wurden. Reik Börm war dabei nicht nur Teilnehmer, sondern durch seine Ordnertätigkeit aktiv an der Durchführung der Demonstrationen beteiligt. Am 28. September 2019 nahm er an der „Brauchtumsfeier“ der niedersächsischen NPD, im Nazi-Zentrum „Hof Nahtz“ in Eschede teil. Auch hier in der Funktion eines Ordners. Auch bei Facebook zeigt er seine politische Einstellung offen, so liked er dort das neonazistische Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“, „Die Patriotische Plattform“ der AfD sowie den Vorsitzenden der NPD in Thüringen, Thorsten Heise.

Gardi Börm war schon als Jugendliche in der „Heimatreuen Deutschen Jugend“ aktiv. Am 17. Januar 2013 nahm sie mit ihren Eltern an einer NPD-Kundgebung am Lüneburger Bahnhof teil. Am 28. September 2019 besuchte auch sie die „Brauchtumsfeier“ der NPD in Eschede.

Aufgewachsen und sozialisiert sind die Börm‘s in einer extrem rechten Familie. Ihr Vater, Manfred Börm, ist seit Jahren maßgeblicher Aktivist der NPD und anderer neofaschistischer Gruppierungen in Norddeutschland. Schwerpunkt seiner Tätigkeiten war stets die Jugend- und Nachwuchsarbeit. Er war Funktionär in den verbotenen völkischen Vereinigungen „Wiking Jugend“ (WJ) und „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ).

Angesichts dieser Tatsachen und den extrem rechten Hintergründen (die in Handorf seit Jahren bekannt sind), ist es absolut unverständlich und verantwortungslos Kinder von diesen Menschen trainieren zu lassen. Im Fussball sollte kein Platz für Rassismus und Menschenfeindlichkeit sein. Die JSG Roddau tut mit Ihrer Trainerwahl genau das Gegenteil und macht extrem rechte Ideologie salonfähig. Dies steht auch im Widerspruch zu den Zielen und Werten des DFB.

Gerade die neofaschistische NPD ist im Zusammenhang mit Fußball immer wieder besonders rassistisch aufgefallen. So hetzte die Partei während der Weltmeisterschaft 2006 gegen Spieler der Fußballnationalelf mit schwarzer Hautfarbe. Für einen NPD-WM- Planer, auf dessen Titelbild der Bremer Nationalspieler Patrick Owomoyela rassistisch beleidigt wird („Weiß – Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte National-Mannschaft“), wurde der damalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und NPD-Pressesprecher Klaus Beier im April 2009 wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu Freiheitsstrafen von jeweils sieben Monaten auf Bewährung verurteilt.

Gleichzeitig ist die gezielte Unterwanderung von Sportvereinen durch Neonazis und andere Rechte teil ihrer Strategie. Der Augenmerk liegt dabei auf dem Amateur- und Jugendsport. „Indem sie sich im Sport engagieren, versuchen sie sich nicht nur Sympathien in der örtlichen Kommune zu erarbeiten und als „ordentliche, engagierte, deutsche Jugendliche zu geben, sondern auch, ihre rassistische und menschenfeindliche Ideologie als eine „ganz normale“ Meinung unter vielen zu präsentieren. Diese Intention ist Teil einer offensiven Normalisierungsstrategie der extremen Rechten.“ (http://www.fussball-gegen-nazis.de/lexikontext/neonazis-im-sport)

Immer wieder wurde bekannt, dass NPD-Aktivisten als Schiedsrichter*innen bei Jugendspielen, als Trainer*innen oder als Spieler*innen auffielen. Gerade als Trainer*innen oder Schiedsrichter*innen haben sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf die soziale Entwicklung von Jugendlichen und ihrer zukünftige politische Verortung. „Im Sinne einer Normalisierungsstrategie geht es in einem ersten Schritt darum, nicht negativ aufzufallen und Vertrauen aufzubauen. Auf dieser Basis lässt sich in einem zweiten Schritt Ideologie einbringen und Überzeugungsarbeit leisten. Diese Art von „Unterwanderung“ trifft nicht nur, aber eben auch Sportvereine. Als vermeintlich unpolitische Orte werden sie von Rechten genutzt, um ihre Ideologie zu verbreiten und Sympathisant*innen zu gewinnen. Werte, wie Leistungsorientierung und Gemeinschaft, die im Sport gelebt werden, können Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Ideologie sein.“ (https://www.fussball-gegen-nazis.de/beitrag/wenn-ein-nazi-jugendliche-im-fussball- trainiert-skandal-beim-sv-waren-09-10447)

Solche Bestrebungen gilt es zu verhindern! Wir erwarten von Vereinen rassistischen, antisemitischen und sexistischen Einstellungen und Verhaltensweisen deutlich entgegenzutreten.

Wir fordern von der JSG Roddau und den Verantwortlichen des MTV Handorf und der FC Roddau, dass die Trainer*innentätigkeiten der Börm ́s umgehend beendet werden.

Kontakt:
Salt City Antifa: salt.city.antifa@nadir.org
Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen: kontakt@antifa-lg-ue.org


Bildquellen: Recherche Nord, eigene Recherche

Screenshot vom 6.10.2019

Gardi Börm im Trikot des MTV Handorf

Reik Börm im Trikot des MTV Handorf

Reik Börm am 02.06.2016 in Hittfeld

Reik Börm am 1.5.2018 in Erfurt

Reik Börm am 24.11.2018 in Salzgitter (1)

Reik Börm am 24.11.2018 in Salzgitter (2)

Reik Börm am 24.11.2018 in Salzgitter (3)

Reik Börm auf einer NPD Brauchtumsfeier am 28.10.2019 in Eschede

Gardi Börm am 17.01.2013 auf einer NPD Kundgebung in Lüneburg